Nach der Veröffentlichung des Textes auf dieser Website, habe ich diesen ebenfalls als Artikel auf LinkedIn veröffentlicht.
BANI-Herausforderungen und RAAT-Lösungsansätze in Organisationsentwicklung und Veränderungsbegleitung
In der BANI-Welt ist Wandel nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel. Denke nur an die zunehmende Digitalisierung, die sich enorm beschleunigenden Auswirkungen von KI oder auch gesellschaftliche und demografische Faktoren, wie Fachkräftemangel und Generationenwechsel.
Doch wie gestaltest du unter solchen Vorzeichen OE- und Veränderungsprozesse?
Die Herausforderungen sind enorm:
- Brüchigkeit (Brittle): Bewährte Strukturen und Prozesse zum Beispiel mit internationalen Partnern funktionieren plötzlich nicht mehr.
- Ängstlichkeit (Anxious): Mitarbeitende lehnen Veränderung ab oder haben Angst davor (derzeit mehr denn je, da sie bereits im privaten und gesellschaftlichen Umfeld viele Veränderungen bewältigen müssen. Siehe dazu auch das pillars of identity nugget).
- Nicht-Linearität (Non-linear): Kleine Veränderungen können große, unvorhersehbare Auswirkungen haben und große Kraftanstrengungen verpuffen häufiger.
- Unbegreiflichkeit (Incomprehensible): Die Informationsflut und Komplexität von Organisationen und Prozessen überfordert oft die Beteiligten.
8 konkrete Ideen, wie Du RAAT nutzen kannst
Das BANI Modell von Jamais Cascio (2020) bietet auch Lösungsansätze für diese Herausforderungen. Mit dem RAAT-Kompass kannst du den Wandel aktiv gestalten. RAAT steht für Resilienz, Aufmerksamkeit (systemische), Anpassungsfähigkeit und Transparenz. Entlang dieser Aspekte beschreibe ich im Folgenden 8 konkrete Ideen für deren Umsetzung.
Resilienz:
- Entwickle robuste Strukturen, die flexibel auf Veränderungen reagieren können. Hier geht es zum Beispiel darum Herrschaftswissen aufzulösen und Abhängigkeiten von Einzelnen mit Expertenwissen zu reduzieren. Das bedarf in vielen Unternehmen eines Kulturwandels und mindestens die Veränderung der Haltung exakt dieser Wissensträger. Das gilt für OE- und Change-Prozesse genauso wie für das operative Tagesgeschäft.
- Fördere eine Kultur der Widerstandsfähigkeit, in der Rückschläge als Lernchancen gesehen werden. Suche nicht nach den Schuldigen, sondern reflektiere offen, welche Veränderungen in der Zukunft helfen können. Aufgrund der Nicht-Linearität und Brüchigkeit kannst Du mit Fingerpointing sowieso nur ungerecht sein und dringend benötigtes Leistungsbereitschaft zerstören.
Aufmerksamkeit (systemische)
- Binde Mitarbeitende aktiv in den Veränderungsprozess ein und stelle so Partizipation sicher. Überlege Dir welche Mitarbeitenden-Gruppen Du in welche Form und Tiefe einbinden kannst. Menschen, die sich gehört und mitgenommen fühlen, werden eher bereit sein, Veränderungen umzusetzen und mitzutragen. Unterschätze weder den inhaltlichen Mehrwert der zusätzlichen Perspektiven auf die Veränderung noch den Motivationsschub, welcher durch gezielte Einbindung entstehen kann.
- Schaffe Räume für offene Gespräche, in denen Ängste und Bedenken geäußert werden können. Anders gesagt, verschließe nicht die Augen vor den Emotionen! Relevante Veränderungen lösen immer Emotionen aus (siehe z.B. die Kubler-Ross Change Curve). Nutze die Zeit im OE- oder Change-Prozess, um die Emotionen der Beteiligten und Betroffenen zu würdigen. Der wichtigste Schritt ist häufig die Anerkennung der Gefühle und ihrer Berechtigung. Dafür braucht es sichere Räume, die nur durch Vertrauen geschaffen werden können.
Anpassungs- und Veränderungsfähigkeit
- Plane Veränderungsprozesse iterativ, um schnell auf Feedback reagieren zu können. Du magst eine Vorstellung oder Hypothese haben, wie die Beteiligten und Betroffenen auf relevante Veränderungen reagieren werden. Aber wissen kannst Du es nicht. Daher ist es wichtig, gut abgestimmte Leitlinien zu haben, die es Dir ermöglichen die konkreten Maßnahmen ohne langwierige Abstimmungen mit den Entscheidenden anpassen zu können.
- Setze auf agile Organisationsstrukturen, die sich schnell an neue Bedingungen anpassen können. Das bedeutet aus meiner Sicht zweierlei: Erstens, die Entscheidungsbefugnisse müssen sinnvoll delegiert werden. Zweitens, alle Mitarbeitenden müssen die Strategie, die lang- und mittelfristigen Ziele sowie ihren Beitrag dazu kennen. Auf diese Weise können sie schnell Entscheidungen treffen und Prioritäten anpassen, wenn dies äußere Veränderungen erforderlich machen. Über Fehlentscheidungen kann im Nachgang gesprochen werden und Korrekturen für die Zukunft vereinbart werden.
Exkurs: Ich wünschte mir, dass auch deutsche Behörden dies stärker berücksichtigen würden. Wenn Gesetze die Zielsetzungen klar formulierten und die Behörden sowie insbesondere die Mitarbeitenden Entscheidungsbefugnisse im Sinne dieser Zielsetzungen erhielten, so würde dies vieles beschleunigen. Ich bin sogar überzeugt, dass unser System dadurch gerechter würde, als es unsere Tradition der Definition von Einzelfällen und Ausnahmen derzeit ist. Das setzte jedoch einen großen Kulturwandel von Sicherheitsorientierung und Fehlerintoleranz hinzu Gestaltungswille und Verantwortungsübernahme voraus. Ein wohl hehres Ziel.
Transparenz:
- Kommuniziere klar und ehrlich über die Ziele und Herausforderungen des Wandels. Es wird dir nichts helfen, wenn Du Probleme verschweigst. Viele Menschen sind es satt, ständig ein rosa-rotes Bild der Zukunft gezeichnet zu bekommen. Wenn Du selbst skeptisch bist, lässt Du Dich dann von platten Werbeparolen überzeugen? Wohl eher nicht (siehe dazu auch das Nugget zu Populistischen Versuchungen im Change).
Kommunikation ist keine Einbahnstraße, erst recht nicht in OE- und Change-Prozessen. Ich plädiere stets für eine Betonung der angestrebten Verbesserungen und einen offenen Umgang mit den unangenehmen Seiten der Veränderung. Das braucht Zeit, da die betroffenen Menschen in der Regel ihren Fokus auf diesen unangenehmen Aspekten haben (negativity bias). - Große Veränderungsinitiativen kämpfen häufig aufgrund der BANI-Herausforderungen mit ihren ambitionierten Zeitplänen. Diese Tatsache stellt wiederum die Veränderungsbegleitung vor Herausforderungen. Meistens wird mit der Dringlichkeit und den ambitionierten Zeitplänen versucht, die Menschen in die Beschäftigung mit der Veränderung zu zwingen. Nur um dann Glaubwürdigkeit und Momentum zu verlieren, wenn sich die Zeitpläne des Projektes stetig verschieben.
Mein Ansatz wäre hier, eine unmissverständliche Klarheit und Entschlossenheit in Bezug auf die Zielsetzungen der Veränderung und deren Notwendigkeit zu erzeugen. Auf dieser Basis kann OE- und Changemanagement kontinuierlich an den notwendigen Veränderungen arbeiten, unabhängig von anderen Teilen der Projekte/Initiativen.
Voraussetzungen dafür sind einerseits eine umfassende Change Impact Analyse, die auch Veränderungen von Rollen, Verantwortlichkeiten und Haltungen einzelner sowie kulturelle Aspekte umfasst.
Andererseits das Verständnis, dass OE und Veränderungsbegleitung mehr sind als Prozess- und Tool-Trainings. Das ist in der klassischen Organisationsentwicklung und Teamentwicklung meistens gegeben; in Prozessoptimierungen/-digitalisierungen sowie im IT/ERP-Umfeld, sieht das leider oft anders aus.
Integrierst du den RAAT-Kompass bereits in deine Change-Strategien? Welche Ansätze haben sich für dich bewährt? Welche Ansätze haben in der jüngeren Vergangenheit nicht mehr so gut funktioniert?
Weitere "Nuggets für Deine Projekte" findest Du hier.