Nach der Veröffentlichung dieses Textes auf dieser Website, habe ich diesen ebenfalls als Artikel auf LinkedIn veröffentlicht.

 

Warum populistische Rhetorik im Change-Management eine Verlockung ist?

Und warum sie trotzdem keinen Platz haben darf.

In der heutigen dynamischen Geschäftswelt ist effektive Kommunikation entscheidend für den Erfolg von Veränderungsprozessen. Interessanterweise lassen sich einige zentrale Merkmale populistischer Rhetorik auf das Change-Management übertragen – mit verlockenden Chancen, aber auch immensen Risiken. 

1. Vereinfachung komplexer Themen – Erwachsene brauchen keine Märchenerzählung

Populistische Rhetorik vereinfacht komplexe Sachverhalte durch klare Botschaften und eingängige Slogans. Im Change-Management kann dies helfen, Klarheit zu schaffen, Mitarbeiter einzubinden und Widerstände abzubauen.

Gleichzeitig besteht die Gefahr der Übervereinfachung, wodurch wichtige Details übersehen werden und die Betroffenen Menschen sich und Ihre Belange nicht ernstgenommen fühlen. Zudem besteht ganz praktisch die Gefahr, dass die vereinfachten Lösungen im Tagesgeschäft nicht funktionieren.

In der verantwortungsbewussten Veränderungsbegleitung ist die Herausforderung, einen guten Kompromiss zu finden – Verständliche Sprache und einfache Beispiele sind sicherlich gut. Der Inhalt darf aber nicht darunter leiden. Die Relevanz für die Betroffenen muss erhalten bleiben und die Sprache muss an die Zielgruppen angepasst sein. Sonst fühlen sich die Betroffenen schnell für dumm verkauft.

2. Emotionale Ansprache – es braucht sie, aber positiv

Emotionen spielen eine Schlüsselrolle in Veränderungsprozessen. Bekannte Modelle, wie die Veränderungskurve von Kübler-Ross, beschreiben genau diese Aspekte.

Populisten nutzen sie, um Menschen zu mobilisieren – im Change-Management können Emotionen helfen, die Dringlichkeit der Veränderung hervorzuheben und die Motivation mitzumachen und mitzudenken zu steigern.

Die Einbeziehung der Emotionen im Change-Management ist essenziell. Entscheidend ist, aus meiner Sicht, dass viel über Mut, Vertrauen und Hoffnung gearbeitet wird. Somit grenzt man sich auch klar vom Vorgehen im politischen Populismus ab, welcher über Angst und Wut funktioniert.

3. „wir gegen die“-Denken und Antielitismus – lieber unterstützen, die Brücke zu schlagen

Populistische Rhetorik spaltet oft in „wir“ gegen „die da oben“. 

Es ist sehr verführend im Change-Management in eine ähnliche Erzählung zu verfallen – gerade als interner Change Manager, Change Agent oder Change Ambassador und auch als Projektteilnehmer (zum Beispiel Key-User). 

Man möchte sich als „auf der Seite der Betroffenen“ zeigen, Verbindung und Vertrauen aufbauen. Das ist ein ganz natürliches und menschliches Bedürfnis. Es geht auch darum authentisch zu bleiben. Vielleicht hat man bevor man die Rolle im Change-Management angenommen hat, geplante Veränderungen selbst kritisiert und soll nun helfen, diese umzusetzen.

Ganz ehrlich, bin ich an dieser Stelle häufig hin-und-hergerissen. Authentizität und Vertrauensaufbau sind wichtig, aber langfristig muss eher eine Brücke zu „denen da oben“ gebaut werden. Ich sehe die Lösung insbesondere in der Offenlegung dieses Konflikts der Change-Management Rollen. 

Durch eine Klärung mit Projektverantwortlichen, -Sponsoren sowie dem Management der betroffenen Mitarbeiter kann der notwendige Brückenschlag ggf. einfacher von „oben nach unten“ erreicht werden. Wenn die Führungskräfte und Entscheidungsträger sich ehrlich für die Sorgen der Betroffenen interessieren, Verständnis für Widerstände aufbringen können und Offenheit für Lösungsideen oder Alternativen zeigen, dann kann das „wir“ gegen „die“ vermieden werden. Ziel sollte eine Hierarchie-übergreifende Zusammenarbeit sein, die auf gegenseitigem Verständnis und Respekt basiert.

Aufgrund der Macht-Distanz muss der erste Schritt in der Regel von den Führungskräften und Entscheidungsträgern ausgehen. Daher ist es absolut essenziell, dass das Change-Management eine gute und ehrliche Beziehung zu diesen Stakeholdern aufbaut und sie auf Ihre Verantwortung vorbereitet und die Stakeholder berät und unterstützt diese wahrzunehmen. 

4. Versprechen einfacher Lösungen – mit Vorsicht genießen

Populismus lebt vom Verkaufen vermeintlich einfacher Lösungen. Und auch im Change-Management können einfache Botschaften helfen (siehe Abschnitt zu Vereinfachung komplexer Themen). 

Jedoch sind Veränderungen komplex und brauchen durchdachte Strategien. In unseren stark vernetzten Unternehmensorganisationen führen einzelne Veränderungen an einer Stelle, schnell zu weiteren Veränderungen an anderen Stellen der Organisation. Häufig werden diese Zusammenhänge von denen erkannt, die Expertenwissen aus dem Tagesgeschäft haben.

Darum lohnt es sich umso mehr, die von Veränderungen betroffenen Mitarbeitenden ernsthaft in Veränderungsinitiativen einzubinden. Es ist positiv, auf die Problemlösungskompetenzen der Organisation zu vertrauen („das Problem lösen wir dann, wenn es auftritt“) – es ist aber töricht, Bedenken und Ideen der operativen Experten im Vorfeld nicht wenigstens ernsthaft zu prüfen.

Es geht darum, dass die Betroffenen und später für die Umsetzung der Veränderungen im Tagegeschäft verantwortlichen, ein gutes Gefühl bezüglich der Machbarkeit haben. Dieses Selbstvertrauen erzielt man nicht durch vereinfachte Lösungen.


>> Verantwortung gegenüber dem Unternehmen und der Gesellschaft <<

So groß die Verlockung auch sein mag, populistische Rhetorik gehört nicht ins Change-Management.

Mitarbeitende sind kluge, selbstbestimmte Menschen, die kritisches Denken verdient haben – vereinfachte Botschaften untergraben ihr Vertrauen und führen dazu, dass sie sich betrogen oder im Stich gelassen fühlen.

Ehrliche und transparente Kommunikation und eine Ernsthafte Auseinandersetzung mit Sorgen und Ideen sind essenziell, um das Vertrauen in das Unternehmen und die Führung zu bewahren. Ein respektvoller und offener Dialog stärkt nicht nur die Unternehmenskultur, sondern zahlt sich auch langfristig aus. Veränderungen werden nachhaltiger und effizienter im Tagesgeschäft verankert.

Es ist zudem eine gesellschaftliche Verantwortung, Menschen nicht an populistische Rhetorik zu gewöhnen und die Spirale der schrillen Töne nicht selbst zu beschleunigen.

Zusammenfassung

Populistische Rhetorik hat keinen Platz im Change-Management, da sie komplexe Themen unzulässig vereinfacht, das Vertrauen der Mitarbeitenden untergräbt und langfristig mehr Schaden als Nutzen anrichtet. 

Erfolgreiche Veränderungsprozesse erfordern eine ehrliche, transparente und respektvolle Kommunikation, die die Intelligenz der Mitarbeitenden wertschätzt und ihre Sorgen ernst nimmt. Anstatt einfache Lösungen zu verkaufen, sollten Change-Manager Brücken bauen, Verständnis fördern und die Betroffenen aktiv in den Prozess einbinden. Dies stärkt den Zusammenhalt im Unternehmen und steigert Nachhaltigkeit und Effizienz der Veränderungsprozesse.

Wenn wir populistische Kommunikationsmuster im Unternehmen etablieren, tragen wir zur Normalisierung dieser Rhetorik in der Gesellschaft bei. Daher ist es neben der unternehmerischen auch eine gesellschaftliche Verantwortung, auf populistische Rhetorik zu verzichten.

Was ist Deine Meinung dazu? Kontaktiere mich gerne für einen Austausch. 


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